Erzählzeit 2022
Die diesjährige Lesung im Rahmen des Literaturfestivals «Erzählzeit ohne Grenzen» fand in der geselligen Atmosphäre des Refektoriums im Klostergut Paradies statt. Die Lesung von Katerina Poladjan aus ihrem neuen Roman «Zukuftsmusik» war die fünfte im Klostergut seit der Gründung des grenzüberschreitenden Festivals im Jahr 2010. Rund 50 Gäste folgten der Einladung und freuten sich mit dem Team der Eisenbibliothek über die persönlichen Begegnungen.
Poladjan las für das begeisterte Publikum den Anfang und einen späteren Abschnitt des Romans. Die Geschichte über einen Tag in einer Kommunalka bietet eine mikrokosmische Momentaufnahme des Lebens und der Zukunftshoffnungen in der Sowjetunion am schicksalhaften Tag der Amtsübernahme von Gorbatschow im Jahr 1985. Atmosphärisch, melancholisch, aber mit dem sanften Humor des Alltags, entlockte der Roman dem Publikum mehrmals ein Lachen; und die Erfahrung der Autorin als Hörspielsprecherin widerspiegelte sich in der Qualität der Lesung.
Moderiert von GF-Generalsekretär Roland Gröbli folgte eine lebhafte Fragerunde über den utopischen Handlungsort des Romans und den familiären Hintergrund der Autorin sowie darüber, wie ihre persönliche Erinnerung an das Leben in Sowjetrussland zum Aufbau des Romans beigetragen hat. Das Interesse des Publikums setzte sich beim Apero in intensiven und heiteren Diskussionen fort - ein sicheres Zeichen eines sehr gelungenen Abends.
Wir danken Katerina Poladjan und Roland Gröbli sehr für die unterhaltsame Veranstaltung!
«Zukunftsmusik» von Katerina Poladjan
Katerina Poladjan wurde 1971 in Moskau geboren und lebt seit 1979 in Deutschland. Sie absolvierte ein Studium der Angewandten Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität in Lüneburg und ein Studium der Darstellenden Kunst in München. Sie ist bekannt als Schriftstellerin, Schauspielerin und Hörspielsprecherin.
Auf ihr Prosadebüt «In einer Nacht, woanders» folgte «Vielleicht Marseille», und gemeinsam mit Henning Fritsch schrieb sie den literarischen Reisebericht «Hinter Sibirien». Im Juni 2019 erschien der Roman «Hier sind Löwen» beim S. Fischer Verlag. «Zukunftsmusik» ist ihr vierter Roman und wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse im Jahr 2022 nominiert.
«Zukunftsmusik» ist die Geschichte eines Aufbruchs: tausende Werst östlich von Moskau leben in einer Kommunalka auf engstem Raum Grossmutter, Mutter, Tochter und Enkelin unter dem bröckelnden Putz einer vergangenen Zeit. Es ist der 11. März 1985, Beginn einer Zeitenwende, von der noch niemand etwas ahnt. Alle gehen ihrem Alltag nach. Der Ingenieur von nebenan versucht, sein Leben in Kästchen zu sortieren, Warwara hilft einem Kind auf die Welt, Maria träumt von der Liebe, Janka will am Abend in der Küche singen. Es ist ein Roman über vier Leben am Wendepunkt, über eine untergegangene Welt, die bis heute nachwirkt, über die Absurdität des Daseins und die grosse Frage des Hier und Jetzt: Was tun?