Johann Joseph Prechtl: «Grundlehren der Chemie in technischer Beziehung. Für Kammeralisten, Oekonomen, Techniker und Fabrikanten» (Wien: Gerold, 1817).
Erworben im Jahr 2022
Erworben im Jahr 2022
Der jüngste Zugang in unserer Rara-Sammlung ist eines der einflussreichsten Chemielehrbücher des neunzehnten Jahrhunderts: «Grundlehren der Chemie in technischer Beziehung. Für Kammeralisten, Oekonomen, Techniker und Fabrikanten» (Grundlehren der Chemie in technischer Beziehung) von Johann Joseph von Prechtl (1778-1849).
Prechtl war ein Techniker und Pädagoge in Österreich-Ungarn, der leidenschaftlich an das Potenzial der Wissenschaft zur Verbesserung der Welt glaubte. 1815 wurde er zum ersten Direktor des Kaiserlich-Königlichen Polytechnischen Instituts ernannt, aus dem später die TU Wien wurde. Als produktiver Autor verfasste er zahlreiche Publikationen zu den verschiedensten technischen und naturwissenschaftlichen Themen, die in einer «Technologischen Enzyklopädie» (ab 1830) kulminierten. Eine vollständige Ausgabe davon befindet sich auch unter den Lexika im Lesesaal der Eisenbibliothek.
Bei dem neu erworbenen Werk von Prechtl handelt es sich um eine zweibändige Ausgabe der «Grundlehren der Chemie». Darin werden die Grundlagen der Chemie bis hin zu ihren Anwendungen behandelt jenseits von Theorie und Studium der Chemie um ihrer selbst willen. Diese Bände zeugen von der Weitsicht, mit der ihr Autor eine aktive Lernkultur an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft gefördert hat.
Der erste Band gibt einen Überblick über die Eigenschaften der damals bekannten chemischen Elemente und gängigen Chemikalien wie Wasserstoff, Kohlendioxid, Schwefel, Sauerstoff, Wasser und Ammonium. Danach geht es um die verschiedenen Formen von Säuren und Salzen und ihre besonderen Anwendungen, zum Beispiel die Quellen der Zitronensäure und ihre Verwendung in der Färberei. Im zweiten Band folgt unter anderem eine umfangreiche Abhandlung über die Chemie der Kohle und des Erdöls und die daraus zu gewinnenden Produkte.
Prechtls Interesse an der Kohle, der Chemie des Feuers und der Energetik war gross und führte zu Projekten wie der Einführung der öffentlichen Gasbeleuchtung in Wien im Jahr 1816. Für die Geschichte von Georg Fischer war Prechtl daher indirekt eine sehr wichtige Figur. Seine erfolgreiche Demonstration einer Strassenbeleuchtung durch Gaslaternen führte zu deren flächendeckender Einführung. Die steigende Nachfrage nach Gastransportinfrastruktur schuf einen Markt für das Produkt, das zu einem der prägendsten und profitabelsten Produkte von GF werden sollte: das Tempergussfitting.
Prechtls Schriften haben ihm den Ruf eingebracht, einer der Begründer der modernen chemischen Industrie zu sein. Laut dem Chemiehistoriker Christian Hantschk wären die heutigen starken Chemie-, Pharma- und Kunststoffindustrien nicht denkbar ohne die Pigmentindustrie, die aus Prechtls Entwicklungen im Kohlenbergbau hervorging. Für die frühe Geschichte der Kunststoffe, die heute einen Schwerpunkt der Bibliothek bildet, kommt dieser Erwerbung daher eine besondere Bedeutung zu.