85/2013
- Ferrum 85/2013
Inhaltsübersicht
Furger, Alex R.: Knochen, Altglas und Metallschrott. Recycling vor 1800 Jahren im römischen Augusta Raurica
Alex R. Furger
Knochen, Altglas und Metallschrott
Recycling vor 1800 Jahren im römischen Augusta Raurica
Je wertvoller die Werkstoffe der Menschheit wurden, desto häufiger hatte man sie wiederverwertet. Am Beispiel der römischen Stadt Augusta Raurica bei Basel, die über 1,6 Millionen archäologische Funde geliefert hat, wird das Recycling von Tierknochen, Glas und Bronze exemplarisch dargestellt. Recyclingstoffe brachten – entgegen den modernen Anforderungen an Legierungen, Papiere, Kunststoffe, Glaswaren usw. – kaum technische Nachteile hinsichtlich der damaligen Qualitätsvorstellungen. Gute Materialkenntnisse, präzise Kriterien zur Einteilung des Altmaterials in Stoffklassen und eine gut organisierte Einsammlungstätigkeit waren Voraussetzung für eine erfolgreiche Wiederverwertung.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
Bones, waste glass and scrap metal
Recycling 1800 years ago in Roman Augusta Raurica
The more valuable man’s materials became, the more frequently they were recycled. Taking the example of the Roman city Augusta Raurica near Basel, which has provided over 1.6 million archaeological finds, the recycling of animal bones, glass and bronze is illustrated in the following. Recycled materials – in contrast to the modernday requirements placed on alloys, paper, plastics, glass, etc. – did not bring any technical disadvantages in the way of quality as it was perceived at the time. Good material know-how, precise criteria to separate the scrapped goods into material categories and a well organised collection were prerequisite for successful recycling.
Haller, Lea: Chemiker als Handelsreisende Pharmazeutische Rohstoffe und globale Differenz
Lea Haller
Chemiker als Handelsreisende
Pharmazeutische Rohstoffe und globale Differenz
1949 schien eine Wunderdroge gegen rheumatische Arthritis und verschiedene andere chronische Krankheiten gefunden: Cortison. Um ausreichende Mengen dieses künstlichen Hormons herstellen zu können, waren allerdings grosse Chargen natürlicher Rohstoffe gefragt, die für eine Synthese in Frage kamen. Ihre Beschaffung war kein chemisch-pharmazeutisches Problem, sondern ein geopolitisches Unterfangen.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
Chemists as commercial travellers
Pharmaceutical Raw Materials and Global Difference
In 1949 a miracle drug against rheumatic arthritis and other chronic diseases appeared to have been found: cortisone. In order to produce sufficient quantities of this synthetic hormone, however, large batches of suitable, natural raw materials were required for synthesis. Procuring them was not a chemical-pharmaceutical problem, but rather a geopolitical undertaking.
Kolczewski, Christine: Seltene Erden. Vom Glühstrumpf zum weltweiten Zankapfel
Christine Kolczewski
Seltene Erden
Vom Glühstrumpf zum weltweiten Zankapfel
Smartphone, Handy, Elektroauto, Windrad, Energiesparlampen – sie alle haben etwas gemeinsam: einen zwar geringen, aber unverzichtbaren Anteil an Seltenen Erden. Doch was sind Seltene Erden eigentlich? Sind sie wirklich so selten, wie der Name vermuten lässt? Und wie entwickelten sich die Seltenen Erden von nur für die Grundlagenforschung interessanten Objekten zu global heiss begehrten Rohstoffen?
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
Rare Earths
From incandescent mantle to worldwide apple of discord
Smartphones, mobile phones, electric cars, windmills, energy-saving lamps – they all have one thing in common: a minimal, though indispensable amount of rare earths. But what actually are rare earths? Are they really as rare as their name implies? And how did rare earths develop from merely interesting research objects to globally highly coveted raw materials?
Lisker, Roberto: Kombiniertes Biophotonisches System
Roberto Lisker
Koautoren: Udo Hellwig, Axel Kölling, Franz Wildenauer
Kombiniertes Biophotonisches System
Vorgestellt wird das kombinierte Biophotonische System als Beispiel simultaner Energie- und Stoffwandlungsprozesse. Solarstrahlung wird über die Photokomplexe der Grünalge Scenedesmus rubescens in Metabolite umgewandelt. Ein Teilstrom dient zur Bereitstellung der Feinchemikalien β-Karotin und Lipide, der Rückstand zur Generierung von Biogas, Treibstoff für ein Blockheizkraftwerk zur Einspeisung elektrischer Energie ins Versorgungsnetz, zur Beheizung und Gasversorgung des Photobioreaktors. Schliesslich wurde ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf etabliert sowie die Massen- und Energiebilanzen geschlossen.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
Combined biophotonic system
Presented is the Biophotonic Combined Energy System as an example of coupled energy and material conversion processes. Solar radiation is converted by the photocomplexes of the Chlorophyceae species Scenedesmus rubescens into metabolites. One partial material flow is operated to gain the fine chemicals β-carotene und lipids. The residues are used to generate biogas which is utilized to a combined heat and power plant to feed electricity to grid and to get flue gas to biophotoreactor being at the right temperature. Finally a closed carbon cycle was established as well as mass and energy balances were closed.
Pfister, Christian: Vom «Hölzernen Zeitalter» zur Überflussgesellschaft ...
Christian Pfister
Vom «Hölzernen Zeitalter» zur Überflussgesellschaft
Veränderungen des gesellschaftlichen Stoffwechsels in Westeuropa im Verlaufe der letzten 300 Jahre – ein Überblick
Der Aufsatz setzt das Abfallprofil einer Gesellschaft zu ihren dominanten Energiequellen, ihrem Grundwerkstoff und den relativen Preisen von Arbeit und Energie in Beziehung. Diesbezüglich unterscheidet er zwischen Agrargesellschaft, Industriegesellschaft und Konsumgesellschaft. Der Übergang von der Industriegesellschaft zur Konsumgesellschaft in den späten 1950er-Jahren markiert insofern die tiefste Zäsur in der Geschichte des Abfalls, als sich mit den Kunststoffen und dem Überhandnehmen des Wegwerfprinzips das Volumen und die Zusammensetzung der Abfälle grundsätzlich veränderten.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
From the "Wooden Age" to the affluent society
Changes in social metabolism in Western Europe over the last 300 years – an overview
The essay sets the waste profile of a society in relation to its dominant energy sources, its base material and the relative prices of work and energy. In this respect, it differentiates between agrarian society, industrial society and consumer society. The transition from the industrial society to the consumer society in the late 1950s marked inasmuch the most profound break in the history of waste as the volume and the composition of waste changed radically with the rise of plastics and the prevalence of the throw-away attitude.
Popplow, Marcus: Schlusskommentar
Marcus Popplow
Schlusskommentar/Final Comment
Annäherungen und Perspektiven zum Tagungsthema «Stoffströme und Stoffkreisläufe» aus Sicht der Technikgeschichte / Approaches and Perspectives to the Conference Topic "Material Flows and Material Cycles" from the Perspective of the History of Technology"
Schmidt, Frieder: «Ich brauch Hadern zu meiner Mül». Die Lumpenwirtschaft der Papiermacher
Frieder Schmidt
«Ich brauch Hadern zu meiner Mül»
Die Lumpenwirtschaft der Papiermacher
Seit den Anfängen der Papiermacherei konkurrieren aus Pflanzen gewonnene Fasern und Lumpen, also abgetragene Textilien, als Rohstoffe. Über den arabisch-islamischen Kulturkreis war die vor etwa 2000 Jahren in China entstandene Technik nach Europa gelangt und hatte im Italien des 13. Jahrhunderts ihre neue spezifische Ausprägung erhalten. Vom späten Mittelalter bis zur frühen Industrialisierung dominierte die Lumpenwirtschaft die Papierfertigung. Erst mit Einführung der Papiermaschine und rasch wachsendem Bedarf an preisgünstigen Schriftträgern und Verpackungsstoffen kamen Faserstoffe wie Strohstoff, Holzschliff und chemisch aufbereiteter Zellstoff immer stärker zum Zuge. In den letzten Jahrzehnten gewinnt der Sekundärrohstoff Altpapier weltweit für die Papierwirtschaft an Bedeutung.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
"I need rags for my rubbish"
The rag economy of the papermakers
Since the beginnings of papermaking, fibres obtained from plants have competed with rags, i.e. used textiles, as raw materials. The technique, developed in China about 2000 years ago, came to Europe via Arabic-Islamic cultures and received its new specific manifestation in Italy during the 13th century. From the late Middle Ages until early industrialisation, the rag economy dominated in paper manufacture. It was only with the introduction of the paper machine and the rapidly growing demand for economical writing surfaces and packaging materials that fibrous materials such as straw, wood pulp and chemically treated pulp were increasingly implemented. In the last few decades, the secondary raw material, waste paper, has gained importance for the paper industry worldwide.
Schubiger, Benno: Recycling der anderen Art. Der «Period room» unter dem Blickwinkel des Kreislaufes und der Umdeutung
Benno Schubinger
Recycling der anderen Art
Der «Period room» unter dem Blickwinkel des Kreislaufes und der Umdeutung
Mit den «Period rooms» gelangte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Thematik des Wohnens prominent ins Museum. Eine der Voraussetzungen dafür war der Transport sperriger historischer Innenräume in die Ausstellungsräume, wo man in ausgeklügelter Kombination mit anderen Museumsobjekten den Besuchern die Welt – oder eben die Scheinwelt – früherer Generationen nahezubringen versuchte. Unterschiedliche Themenstränge des Historismus waren mit den Period rooms verwoben. Deren räumliche Präsenz, künstlerische Wirkung und emotionale Ausstrahlung fordern auch heute die Museumskuratoren und Museumsbesucher gleichermassen heraus.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
Recycling of a different kind
The "Period room" from the point of view of circulation and reinterpretation
With the “period rooms” the theme of living became prominent in museums during the second half of the 19th century. In order for this to happen, it was necessary to transport bulky historical interior rooms to the exhibition rooms, where by combining them cleverly with other museum objects, it was attempted to convey the world – or the illusory world – of earlier generations to visitors. Various thematic topics of historicism were intertwined in the period rooms. Their spatial presence, artistic impression and emotional character are today also a challenge for museum curators and museum visitors alike.
Stalder, Ursula: Ein «Recycling» der besonderen Art. Vier Installationen in der Eisenbibliothek
Ursula Stalder
Ein «Recycling» der besonderen Art
Vier Installationen in der Eisenbibliothek
Die Installation «DER WEG DER DINGE» in der Eisenbibliothek war während der Tagung im November 2012 am Boden des Kreuzgangs im Klostergut Paradies zu sehen. Der Aufbau entstand in Etappen als Work in progress und bestand aus vier verschiedenen Sammlungen: Fundobjekten aus Südengland, Südspanien, aus der Lagune Venedig und aus Griechenland.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
A "recycling" of a special kind
Four installations in the Iron Library
The installation “THE PATH OF THINGS” in the Iron Library could be viewed on the cloister floor during the conference in November 2012. It was set up in stages, as a work in progress, and consisted of four different collections: historic finds from southern England, southern Spain, the lagoon of Venice and Greece.
Weber, Heike: Müllströme, Müllrecycling und das «Rohproduktengewerbe» als Wiederverwerter am Anfang des 20. Jahrhunderts
Heike Weber
Müllströme, Müllrecycling und das «Rohproduktengewerbe» als Wiederverwerter am Anfang des 20. Jahrhunderts
Der Beitrag fragt danach, ob und inwiefern Müll- «recycling», also das mit je unterschiedlichen stofflichen Transformationen vorgenommene Wiedereingliedern von Abfällen in die Produktion (Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft), sowie die Vorstellung, über eine solche Kreislaufführung von Müll sogar sämtliche Reste zu vermeiden, Konzepte und Ideen sind, die bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts zu gegen waren, also nicht erst mit dem «grünen» Recycling von Müll seit den 1970er-Jahren aufkamen. Dabei geht es im Folgenden nicht darum, den Erfolg der Wiederverwertung von Müll zu beurteilen. Vielmehr wird gezeigt, dass bereits das Recycling der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur auf ökonomischer Rationalität fusste. Zwar richtete sich der Altstoffhandel bzw. das sogenannte Rohproduktengewerbe als Hauptakteur des Recyclings beim Wiederverwerten nach Altstoffpreisen aus, und Recycling war für die Ärmsten der Armen eine Verdienstmöglichkeit. Aber viele Zeitgenossen sahen in einer solchen Wiederverwertung auch die Möglichkeit, Dinge und Stoffe «richtig» auszunutzen, weil sie über das, was wir heute «Recycling» nennen würden, in einem angeblich «natürlichen» Stoffkreislauf gehalten werden würden.
Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:
Waste streams, waste recycling and the "raw product trade" as a recycler at the beginning of the 20th century
The article looks at whether and to what extent the concept of “waste recycling”, in other words reintegrating waste products in manufacturing (trade, industry, agriculture) by undertaking various material transformations, as well as the idea of waste flow management to prevent any leftovers, were present in the early 20th century and not only since the 1970s when “green” recycling became popular. This is not a case of assessing the success of waste recycling, but rather to show that already the recycling of the first half of the 20th century was not only guided by economic rationality. It is true that the rag trade, or the so-called second-hand industry, who were the main players in recycling at that time, was governed by the price of scrap and was a means of earning money for the poorest of the poor, but many contemporaries saw such efforts as an opportunity to use things and materials “properly” because they would be kept in an ostensibly “natural” material cycle, what we today would call “recycling“.