92/2022

Inhaltsübersicht

Asmussen, Tina: Arm, nützlich, giftig und verheissungsvoll

Tina Asmussen

Arm, nützlich, giftig und verheissungsvoll
Eine Ressourcengeschichte von Blei in der Frühen Neuzeit

Blei wird nicht erst heute, es wurde bereits in der Frühen Neuzeit als eine äusserst ambivalente Ressource wahrgenommen: Es war ein unverzichtbarer Werkstoff mit zahlreichen Anwendungen, aber auch ein Umweltgift und Gesundheitsrisiko für Arbeiterinnen, Arbeiter und Bewohnerinnen, Bewohner von Bergbauregionen. Wie dieser Beitrag zeigt, beschränkte sich die Bedeutung von Blei nicht nur auf seine Rolle als Produktionsmittel und Handelsware in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht. Die Relevanz von Blei als Ressource eröffnet ein komplexes Netz von materiellen Bedeutungen und Wahrnehmungen, die aus dem modernen Bewusstsein verschwunden sind.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Poor, useful, poisonous, or promising?
Lead in the early modern era

Not only today, but already in the early modern period, has lead been perceived as an extremely ambivalent resource: it was an indispensable material with numerous applications, but also an environmental toxin and health risk for workers and residents, inhabitants of mining regions. As this paper shows, the importance of lead was not limited to its role as a raw material in production and a commodity in economic and technological terms. The relevance of lead as a resource opens up a complex web of material meanings and perceptions that have since disappeared from modern consciousness.

Baumert, Martin; Farrenkopf, Michael; Meyer, Torsten: Nach der Ressourcenextraktion

Martin Baumert, Michael Farrenkopf & Torsten Meyer

Nach der Ressourcenextraktion
Forschungen und Praktiken der Rekultivierung von Bergbaufolgelandschaften im Lausitzer Braunkohlenrevier (1950er- bis 1970er-Jahre)

Als zentraler Primärenergieträger der DDR waren Braunkohlen von entscheidender strategischer Bedeutung für die Wirtschaft des Staates. Die Braunkohlentagebaue im Mitteldeutschen und Lausitzer Revier expandierten stetig und hinterliessen Kippen, Halden und Restlöcher, die einer Nachnutzung harrten. Mit Fokus auf das Lausitzer Revier, seit 1957 das Kohle- und Energiezentrum der DDR, thematisiert der Artikel die Forschungen und Praktiken der Bergbaurekultivierung, wobei ein zeitlicher Schwerpunkt auf den 1950er- und 1960er-Jahren liegt, die ihrerseits auf Vorarbeiten seit den 1920er-Jahren beruhten. Die in diesen Jahrzehnten entwickelten Wiederurbarmachungsverfahren waren nicht nur innovativ, sondern sollten auch die Rekultivierungspraktiken bis zum Ende der DDR prägen.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

When the digging is done
Landscape rehabilitation research and methods in the Lusatian lignite mining district, 1950–1980

As lignite was of strategic importance to the economy of the German Democratic Republic, surface mining was an expanding industry in the Central German and Lusatian mining districts. The waste heaps, dumps, and open pits that it left behind, however, called for some form of reuse. The Lusatian mining district was the GDR’s main source of coal and energy from 1957 onwards. The article examines research on mine rehabilitation in this region and discusses rehabilitation methods implemented there in the 1950s and 1960s, although these were often based on earlier studies from the 1920s. The innovative rehabilitation methods developed in these decades were to dominate landscape rehabilitation efforts throughout the remainder of the GDR’s existence.

Baumgartl, Matthias: Kupfer als Handelsgut

Matthias Baumgartl

Kupfer als Handelsgut
Unternehmerische Herausforderungen und Chancen eines Rohstoffs um 1600

Der Kupfermarkt des 16. Jahrhunderts war von einer oligopolistischen Struktur geprägt. Aufgrund seiner Kapitalintensität war der Bergbau vorwiegend über die Vertragsvergabe an finanzstarke Akteure organisiert. Während die Entwicklung von Angebot und Nachfrage den Preis des Rohstoffs um die Jahrhundertwende zusätzlich steigen liess, konkurrierten zahlreiche Unternehmer um die Kupferkontrakte. Ausgehend von den als Gewerken tätigen Wolkenstein-Rodenegg zeigt der Beitrag, wie verschiedene Kaufleute in diesem Geschäftsfeld agierten.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

The copper trade around 1600
Commercial challenges and opportunities

The copper trade in the sixteenth century was characterized by oligopolistic structures. Since copper mining was a capital-intensive business, mining contracts were chiefly awarded to affluent investors. At the turn of the sixteenth century, changes in supply and demand led to an increase in prices for this raw material. As a result, intense competition arose between rival businesses vying for copper contracts. Based on the activities of the Wolkenstein-Rodeneggs, a noble family involved in copper mining, the article examines the strategies by which merchants sought to succeed in the copper trade.

Burchardt, Jørgen: Recycling Scrap for Steelmaking

Jørgen Burchardt

Recycling Scrap for Steelmaking
The case of the Danish Steel Rolling Mill

Steel scrap is one of the most recycled materials. It uses approximately 35 percent less energy and reduces emissions of greenhouse gases up to 87 percent. The use of scrap is not unproblematic, however, and the accumulation of quality-compromising tramp elements has become an increasing threat to its use and viability as a “raw material” for steel. As a steelworks in a country without iron ore, the Danish Steel Rolling Mill and its history between 1943 and 2002 provide a good case study for looking at these facets in the nature of scrap. The successful recyling of scrap at the mill required a well-organized collection regime, while quality control at the mill ensured that industries such as the Danish shipyards could remain competitive.

Dieser Artikel ist auf Englisch erschienen. Deutsches Abstract:

Recycling von Schrott für die Stahlerzeugung
Der Fall des dänischen Stahlwalzwerks Danish Steel Rolling Mill

Stahlschrott ist eines der am häufigsten recycelten Materialien. Er verbraucht etwa 35 Prozent weniger Energie und reduziert den Ausstoss von Treibhausgasen um bis zu 87 Prozent. Die Verwendung von Schrott ist jedoch nicht unproblematisch, und die Anhäufung von qualitätsmindernden Fremdelementen ist zu einer zunehmenden Bedrohung für seine Verwendung und Rentabilität als «Rohmaterial» für Stahl geworden. Als Stahlwerk in einem Land ohne Eisenerz bietet das dänische Stahlwalzwerk Danish Steel Rolling Mill und seine Geschichte zwischen 1943 und 2002 eine gute Fallstudie, um diese Merkmale des Schrotts zu untersuchen. Die erfolgreiche Wiederverwertung von Schrott im Werk erforderte ein gut organisiertes Sammelsystem, während die Qualitätskontrolle im Werk sicherstellte, dass Industrien wie die dänischen Werften wettbewerbsfähig bleiben konnten.

Chen, Hailian: Zinc for coin and brass

Hailian Chen

Zinc for coin and brass
A commodity chain analysis approach to studying resources in early modern Chinese history

Zinc was an essential base metal used to produce coin and brass in late imperial China and was also a global commodity exported from China to other parts of Asia and Europe in the early modern period. This article is a highly condensed result of the author’s zinc research project. It provides a methodological approach to our understanding of natural resources in history by tracing zinc’s commodity chain (including demand, production, transport, commercialization and consumption). At the intersections of technology and resources, the history of the Chinese zinc enterprise was an integration of a variety of resources (including zinc ores, capital, coal fuel, human labor, draft animals, and many other raw materials and types of “ecological footprints,” such as food resources).

Dieser Artikel ist auf Englisch erschienen. Deutsches Abstract:

Zink für Münzen und Messing
Ein Ansatz der Warenkettenanalyse zur Untersuchung von Ressourcen in der frühen modernen chinesischen Geschichte

Zink galt im späten kaiserlichen China als wichtiges unedles Metall für die Herstellung von Münzen und Messing und war in der frühen Neuzeit auch ein globaler Rohstoff, der aus China in andere Teile Asiens und Europas exportiert wurde. Dieser Artikel ist ein stark komprimiertes Ergebnis des Zink-Forschungsprojekts des Autors. Er bietet einen methodischen Ansatz für unser Verständnis von natürlichen Ressourcen in der Geschichte, indem er die Warenkette von Zink nachzeichnet (einschliesslich Nachfrage, Produktion, Transport, Vermarktung und Verbrauch). An den Schnittstellen von Technologie und Ressourcen war die Geschichte des chinesischen Zinkunternehmens eine Integration einer Vielzahl von Ressourcen (einschliesslich Zinkerzen, Kapital, Kohlebrennstoff, menschlicher Arbeitskraft, Zugtieren und vielen anderen Rohstoffen und Arten von «ökologischen Fussabdrücken», wie z. B. Nahrungsmittelressourcen).

Eggimann, Franziska: Rohstoffe erzählen Geschichte

Franziska Eggimann

Rohstoffe erzählen Geschichte
Die Materialbeschaffung bei GF als Spiegel der Firmen- und der Weltgeschichte (1899-1932)

Von der langjährigen Pflege eines europaweiten Handelsnetzwerks über die Einführung technischer Innovationen bis zum Überwinden von Kriegs- und Krisenzeiten: Die Rohstoffverzeichnisse von GF der Jahre 1899 bis 1932 mit ihren nüchternen Zahlenreihen erzählen bei näherem Hinschauen facettenreiche Firmen- und Weltgeschichte. Der Artikel bietet anhand dieser umfangreichen Quelle einen Überblick über die Herkunft und Beschaffung der in den GF-Werken in Schaffhausen verwendeten primären Rohstoffe sowie über inner- und ausserbetriebliche Entwicklungen und Ereignisse in den drei Jahrzehnten von der Jahrhundertwende bis zur Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er-Jahre.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Raw materials tell a story
Material procurement at GF as a mirror of the company’s and the world’s history (1899-1932)

From the long-standing cultivation of a Europe-wide trading network to the introduction of technical innovations to overcoming times of war and crisis: the raw materials directories of GF from 1899 to 1932 with their sober series of figures speak of a multifaceted company and world history, on closer inspection. Using this extensive source, the article provides an overview of the origin and procurement of the primary raw materials used in the GF plants in Schaffhausen, as well as internal and external developments and events in the three decades from the turn of the century to the global economic crisis at the beginning of the 1930s.

Elsässer, Luise: Undertaking the full circle

Luise Elsässer

Undertaking the full circle
The working horse’s utility in the first half of the twentieth century

The use of horsepower remained a significant energy source for Western European economies until the 1950s. Horsepower was needed for everything and by everybody in one way or another. If working horses were an industrial and agricultural energy source of the nineteenth and early twentieth centuries, then the horses’ carcasses were its by-product. The end of a working horse’s life eventually brought usage full circle, as the remains were fed back into economic circulation. This paper looks at the different uses of horsepower and its disappearance, using the example of England. The use of horsepower was socially and culturally coded, while the animals served as raw material, commodity, working power, and food, from its breeding to its disposal.

Dieser Artikel ist auf Englisch erschienen. Deutsches Abstract:

Der Kreis schliesst sich
Der Nutzwert des Arbeitspferdes in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts

Die Nutzung von Pferdekraft blieb bis in die 1950er Jahre eine wichtige Energiequelle für die westeuropäischen Volkswirtschaften. Pferdekraft wurde für alles und von jedem auf die eine oder andere Weise benötigt. Wenn Arbeitspferde im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert eine industrielle und landwirtschaftliche Energiequelle waren, dann waren die Pferdekadaver ihr Nebenprodukt. Mit dem Ende des Lebens eines Arbeitspferdes schloss sich schliesslich der Kreis der Nutzung, da die Überreste wieder in den Wirtschaftskreislauf eingespeist wurden. In diesem Beitrag werden die verschiedenen Verwendungszwecke der Pferdekraft und ihr Verschwinden am Beispiel Englands untersucht. Die Nutzung der Pferdekraft war sozial und kulturell kodiert, während die Tiere von der Aufzucht bis zur Entsorgung als Rohstoff, Handelsware, Arbeitskraft und Nahrungsmittel dienten.

Heymann, Matthias: Investigating global resource chains

Matthias Heymann

Investigating global resource chains
The case of the global Danish plant oil complex

This paper aims to investigate the establishment of global resource chains in the plant fat industry from the late nineteenth to the late twentieth century, in which the plant oil producing company Aarhus Oliefabrik in Aarhus, Denmark, and oil plantations in Malaysia of the Danish company United Plantations played a pioneering role. It summarizes details of a research project on the building and operation of resource chains from two different vantage points, one from the Aarhus plant oil industry reaching out to global resources, and one from the building and operation of Danish plantations in Siam, Malaya and Indonesia, reaching out for metropolitan users.

Dieser Artikel ist auf Englisch erschienen. Deutsches Abstract:

Untersuchung globaler Ressourcenketten
Der Fall des globalen dänischen Pflanzenölkomplexes

Dieser Artikel zielt darauf ab, den Aufbau globaler Ressourcenketten in der Pflanzenfettindustrie vom späten 19. bis zum späten 20. Jahrhundert zu untersuchen, in dem das Pflanzenöl produzierende Unternehmen Aarhus Oliefabrik in Aarhus, Dänemark, und die Ölplantagen des dänischen Unternehmens United Plantations in Malaysia eine Vorreiterrolle einnahmen. Der Beitrag fasst Einzelheiten eines Forschungsprojekts über den Aufbau und Betrieb von Ressourcenketten aus zwei verschiedenen Blickwinkeln zusammen: zum einen aus der Pflanzenölindustrie in Aarhus, die auf globale Ressourcen zugreift, und zum anderen aus dem Aufbau und Betrieb der dänischen Plantagen in Siam, Malaya und Indonesien, die auf die Nutzer in den Grossstädten abzielen.

Linneweh-Kacmaz, Bastian: Rohstoffe und die Herausforderungen globaler Märkte

Bastian Linneweh-Kacmaz

Rohstoffe und die Herausforderungen globaler Märkte
Konflikte um Kautschuk in der Zwischenkriegszeit

Der globale Handel mit Rohstoffen ist seit langer Zeit Ausdruck der voranschreitenden Globalisierung. Dennoch führt dieser Austausch nicht nur zu positiven Wohlfahrtsgewinnen für die teilnehmenden Länder, sondern auch zu Abhängigkeiten und Versorgungsunsicherheiten. Staatliche Eingriffe belasten immer wieder das Vertrauen in die globalen Verflechtungen. Am Beispiel des Kautschukhandels in der Zwischenkriegszeit lässt sich exemplarisch zeigen, welche Folgen Eingriffe in globale Rohstoffmärkte für die beteiligten Staaten und Unternehmen hatten. Eine Analyse der Wertschöpfungsketten legt dabei die Probleme von Nationalstaaten offen, Kontrolle in globalen Märkten auszuüben.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Raw materials, global markets
The conflict over caoutchouc in the interwar period

International trade in raw materials has long been a sign of growing globalization. Its impact on the countries involved is not purely beneficial, however, since it can result in overdependence and supply insecurity. Moreover, government interference tends to undermine merchants’ confidence in global networks. The trade in caoutchouc – also known as rubber – during the interwar period provides a case study of market intervention and the risks it spells for the countries and companies involved. An analysis of value chains sheds light on the challenges that con[1]front nation states seeking to control global markets.

Lykov, Egor: «Rückstand» als Vehikel der Innovation

Egor Lykov

«Rückstand» als Vehikel der Innovation
Das Erdöl als Heizmittel im ausgehenden Russländischen Reich

Der vorliegende Beitrag thematisiert die frühe Phase des Erdölgebrauchs (1880-1914), als die bahnbrechenden Erfahrungen der russländischen Ingenieure die Nutzung von Erdölrückständen (vor allem im Eisenbahnkontext) ermöglichten. Anhand zahlreicher unveröffentlichter Materialien aus zentralen und regionalen Archiven der Russländischen Föderation sowie der veröffentlichten Fachbücher zur Erdölgewinnung und -nutzung und der Publikationen in den zeitgenössischen Fachmedien wird erörtert, dass die Innovationen der Erdölindustrie einen frugalen Charakter hatten und dadurch eine breite Kundenbasis ansprachen. So führten sie eine rasche Transition zum Erdöl als Hauptenergiequelle im europäischen Teil Russlands (vor allem in Transkaspien, im Wolgagebiet, in St. Petersburg und in Moskau) herbei.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Underdevelopment as an engine of innovation
Petroleum as a fuel in the Russian Empire, 1880-1914

During the early phases of modern petroleum use from around 1880 to 1914, pathbreaking inventions by Russian engineers made it possible to exploit oil for rail transport. Based on numerous unpublished documents from the central and regional archives of the Russian Federation, books published in Russia on the production and use of petroleum, and other contemporary Russian scientific media, this article demonstrates that most innovations in the Russian oil industry around that time were aimed at saving resources and minimizing costs. This made oil more attractive to customers and encouraged the European parts of Russia, particularly Transcaspia and the Volga Region as well as St. Petersburg and Moscow, to make the transition to oil as the main source of energy more swiftly than was the case in most other parts of the world.

Prodöhl, Ines: Closing Remarks

Ines Prodöhl

Closing Remarks/Schlusskommentar

42nd History of Technology Conference “Raw materials,” Schaffhausen, November 2021 / 42. Technickgeschichtliche Tagung "Rohstoffe", Schaffhausen, November 2021

Reith, Reinhold: Vom Umgang mit Rohstoffen in der Geschichte

Reinhold Reith

Vom Umgang mit Rohstoffen in der Geschichte
Strategien der Ressourcennutzung

Der Begriff Recycling ist erst in den 1970er-Jahren aufgekommen, als sich in Verbindung mit exponentiellem Ressourcenverbrauch, Müllbergen und Umweltproblemen die Konsequenzen der Wegwerfgesellschaft abzeichneten. Recycling galt nun als strategische Option zur Schaffung einer Kreislaufwirtschaft. Auch in vorindustriellen Gesellschaften sehen wir verschiedene Strategien im Umgang mit knappen und teuren Rohstoffen: sparsamer Umgang, Verlängerung der Lebensdauer, Recycling – und ein intensiver Gebrauchtwarenhandel. Gehen wir davon aus, dass Ressourcen gegenwärtig (wieder) knapp und endlich sind, so könnten wir den Begriff der «Knappheitsökonomie» auch für die Gegenwart und die Zukunft reklamieren. Die Diskussion um Nachhaltigkeit und Ressourcenstrategien dürfte durch die historische Reflexion mehr Tiefenschärfe gewinnen.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Approaches to raw materials throughout history
Strategies of resource use

The term “recycling” was coined in the 1970s – an era in which resource consumption, waste, and general environ[1]mental devastation were on the rise – to describe a strategic option for creating a circular economy. Strategies for dealing with scarce and expensive raw materials can also be observed in pre-industrial societies, however. People would use materials and products more sparingly or for longer periods of time; often a lively trade in used goods sprang up as well. Based on the assumption that resources are limited and once again becoming scarce, we may justifiably use the term “scarcity economy” to describe our present age and the future as well. A look at historical developments lends perspective to current debates about sustainability and strategies for resource use.

Sparenberg, Ole: Was sind eigentlich Ressourcen?

Ole Sparenberg

Was sind eigentlich Ressourcen?
Oder: die wechselvolle Geschichte der Manganknollen, 1873-2021

Am Beispiel der Manganknollen analysiert der Artikel, was einen Stoff zu einer Ressource macht. Es wird gezeigt, dass der Ressourcencharakter keine Eigenschaft eines Stoffes an sich ist, sondern wesentlich von Rahmenbedingungen innerhalb der Gesellschaft abhängt, die den Stoff als Ressource betrachtet. Manganknollen wurden bereits im späten 19. Jahrhundert in der Tiefsee entdeckt, aber diese metallhaltigen Mineralien galten erst ab den 1950er-Jahren als potenzielle Ressource. Ihr Abbau schien Ende der 1970er-Jahre kurz bevorzustehen, bevor das wirtschaftliche Interesse an den Manganknollen wieder schwand, jedoch im 21. Jahrhundert erneut auflebte, ohne dass bis heute eine kommerzielle Nutzung stattgefunden hat. Wechselnde ökonomische, politische und rechtliche Faktoren sowie die sich verändernde gesellschaftliche Bewertung der Umweltverträglichkeit erklären diese Entwicklung. Die Ressourcenwerdung eines Stoffes erweist sich so als ein offener und auch reversibler Prozess.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

How do you define a resource?
The colorful history of the manganese nodule, 1873-2021

Manganese nodules provide an interesting case study of our concepts of materials and resources. No material is inherently a resource; whether or not it is perceived as one is essentially a question of context. The discovery of manganese nodules in the deep seabed dates back to the late nineteenth century, but it was only in the 1950s that these polymetallic minerals began to be considered as a potential resource. In the late 1970s, mining seemed about to take off, but then economic interest in the nodules began to wane, only to recover in the twenty-first century, although without so far arousing any commercial activity. These ups and downs are accounted for by changes in economic, political, and legal frameworks as well as fluctuations in environmental awareness. Thus a material can become a resource – and cease to be one – in a process that is both open and reversible.

Vaupel, Elisabeth; Preiß, Florian: Die technische Nutzung von Hühnereiern im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Elisabeth Vaupel, Florian Preiß

Die technische Nutzung von Hühnereiern im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Hühner- und Gänseeier wurden wegen ihres Eiweiss-, Fett- und Emulgatorgehalts seit Urzeiten für technischgewerbliche Zwecke genutzt, aber nur in kleinen Mengen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sie jedoch zu einem wichtigen, massenhaft benötigten Industrierohstoff. Die Kattundruck- und die Fotoindustrie brauchten das aus dem Eiklar gewonnene Eiweiss (Ovalbumin), die Lederwaren- und die Lebensmittelindustrie die Eidotter.

Dieser Artikel ist auf Deutsch erschienen. Englisches Abstract:

Technological uses of chicken’s eggs in the nineteenth and early twentieth centuries

The eggs of chicken and geese contain egg white, fat, and emulsifiers. Small-scale technological and commercial uses go back thousands of years. From the 1950s onwards, however, eggs became an important raw material of which a number of industries required huge amounts. The ovalbumin derived from egg whites was used in cotton printing and photography, for example, while egg yolk was utilized in the leather and food industries.

Zoller-Blundell, Christopher: The stuff of literature

Christopher Zoller-Blundell

The stuff of literature
Raw materials and the books of the Iron Library

While the Iron Library’s guiding interest in the history of materials science makes it an incredibly rich assemblage of literature for examining the development and uses of innumerable raw materials in the history of science, industry and economics, the physical substance of the books themselves presents fascinating raw materials stories too. Using a few selected examples from the holdings of the library’s old and rare books collection, this article will provide an insight into these raw materials histories. Along the way, it will also show some of the more curious material qualities of individual works in the collection that are indicative of trends in the resource consumption of the publishing industry or else highlight features of the books’ unique biographies.

Dieser Artikel ist auf Englisch erschienen. Deutsches Abstract:

Der Stoff der Literatur
Rohstoffe und die Bücher der Eisenbibliothek

Während die Eisenbibliothek aufgrund ihres Leitinteresses an der Geschichte der Materialwissenschaften eine unglaublich reiche Literatursammlung für die Untersuchung der Entwicklung und Verwendung unzähliger Rohstoffe in der Geschichte von Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft darstellt, bietet auch die physische Substanz der Bücher selbst faszinierende Rohstoffgeschichten. Anhand einiger ausgewählter Beispiele aus den Beständen der Sammlung alter und seltener Bücher der Bibliothek soll dieser Artikel einen Einblick in diese Rohstoffgeschichten geben. Dabei werden auch einige kuriose Materialeigenschaften einzelner Werke der Sammlung aufgezeigt, die auf Trends im Ressourcenverbrauch des Buchgewerbes hinweisen oder Besonderheiten der Buchbiografien hervorheben.

Ferrum 92/2022

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