Alois Wehrle schrieb noch vor seinem Tod im Jahre 1835 sein Lehrbuch zur Probier- und Hüttenkunde als Professor für Mineralogie, Chemie und Hüttenkunde an der kaiserlich-königlichen Bergakademie zu Schemnitz. Laut seinem Vorwort von 1833 bezweckte er durch dieses dreibändige Werk «dem Anfänger das Studium der Probier- und Hüttenkunde zu erleichtern, ihn den Umfang dieser Wissenschaften kennen zu lehren, und denselben sowohl mit den Verfahrensarten, die zur Auffindung und Gewinnung der Metalle angewendet werden, als auch mit den Grundsätzen, auf welchen diese Methoden beruhen, bekannt zu machen. «Um dieses Fachgebiet für Anfänger zugänglich zu machen habe er «alle Unterbrechungen und Abtheilungen, welche den Anfänger häufig abschrecken, sorgfältig vermieden» und «den Zweck eines jeden Prozesses, die Vorteile, Nachteile, Resultate und die Theorie desselben» in einem «erzählende[m] Styl» verfasst.
Von dieser Umsetzung können IndustriearchäologInnen oder TechnikhistorikerInnen noch heute sehr profitieren, wenn sie, so wie ich, als technikbegeisterte Geisteswissenschaftler stets mit einem «Anfängerblick» auf Technik und Technologien schauen.
Wehrle will die sowohl «im Inlande» als auch «im Auslande» üblichen Verfahren und Prozesse sowie «alle wichtigen neueren Entdeckungen, Verbesserungen oder Erweiterungen» berücksichtigt haben. Die k.k. allgemeine Hofkammer habe ihm hierfür «nicht allein die Bereisung sämtlicher Hüttenwerke der österreichischen Monarchie, sondern auch die Benützung sämtlicher, in dem k.k. Archive und in der Registratur der k.k. allgemeinen Hofkammer vorhandenen, auf das Probier- und Hüttenwesen Bezug nehmenden Akten und Reiseberichte gnädigst bewilligt.» Leider verzichtete Wehrle, evtl. im Sinne des leichteren Zuganges für Anfänger, auf Verweise zur jeweiligen Herkunft der Informationen. Er führte beispielsweise einen besonderen Flammofen mit zwei Schmelzkammern, welcher auf der Sayner Hütte in Betrieb war, auf. Er beschrieb diesen in seinen Vorzügen durch kurze Erläuterungen und mehrere Zeichnungen ohne jedoch auf die Herkunft der Daten zu verweisen. Auf diese Weise gingen auf den ersten Blick wichtige Bezüge verloren. Auf dem zweiten Blick jedoch steht die naheliegende Vermutung im Raum, dass Wehrle sowohl die Zeichnungen als auch die dazugehörigen Beschreibungen aus dem sechsbändigen «System der Metallurgie» (sechs Bände, Berlin 1831-1832) des preussischen Oberbergrates Carl Johann Bernhard Karsten (1782-1853) übernahm, die nahezu identisch zu sein scheinen (Beschreibung des Flammofens in Band 4; Zeichnungen des Flammofens in Band 6). Der Sayner Flammofen blieb jedenfalls in den 1830er Jahren im Interesse der Österreicher. So fertigte die Modellbauwerkstatt von Alois Harder (1769-1857) in Wien für die 1807 im Auftrag von Franz I. (1768-1835) begründete Mustersammlung, die später als «k.k. National-Fabriks-Produktenkabinett» Teil des Wiener Polytechnischen Instituts wurde, ca. im Jahr 1838 ein Modell des Sayner Flammofens im Massstab 1:25 an (heute im Bestand des Technischen Museums Wien, Inv.-Nr 9.870).
Der im Zuge der Modernisierung der Sayner Hütte ca. 1830 in Betrieb genommene Flammofen wurde zunächst in Preussen durch Karstens «System der Metallurgie» anhand technischer Daten einem breiten Publikum vorgestellt. Anschliessend übernahmen auch verschiedene andere Autoren bzw. Herausgeber diese Daten, so evtl. auch Alois Wehrle.
Wehrles Lehrbuch ist damit ein Beispiel für die Verbreitung von Wissen und Erfahrung im Bereich der Metallurgie zu Beginn der Industrialisierung. Anhand des darin vorgestellten Sayner Flammofens mit doppelter Schmelzkammer lässt sich rückblickend aufzeigen, wie im In- und Ausland angewandte Verfahren und Anlagen als Musterbeispiele Eingang in die akademische Lehre fanden. Als auffällig erscheint hier jedoch, dass Wehrle nur auf diesen Flammofen sowie wenige weitere technische Vorrichtungen aus der Sayner Hütte verweist und dabei jedoch die seinerzeit neue und einzigartige technisch-architektonische Ausstattung der gusseisernen Giesshalle unerwähnt lässt. Diese Giesshalle von Carl Ludwig Althans (1788-1864) begeistert noch heute Touristen, wie bereits vor knapp 200 Jahren. Gleichwohl scheint dies verständlich, da auch Karstens «System der Metallurgie» diesen Aspekt nur durch eine simple bildliche Darstellung auf dem Einbanddeckel des Tafelbandes andeutet.
Beide Publikationen konzentrieren sich also strikt auf ihr Fachgebiet. Es bleibt unklar, warum es keine zeitgenössische Publikation aus dem Bereich des Bauwesens und der Architektur zu geben scheint, die sich mit der gusseisernen Giesshalle in Sayn befasst.